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Interview: „Interreg kann dazu beitragen, die Folgen der Pandemie abzufedern“

Delara Burkhardt ist eine Politikerin aus Kiel. Sie ist seit 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments für die SPD. Anlässlich des Europatags am 9. Mai haben wir Delara Burkhardt und andere Abgeordnete nach ihren Wünschen für die Zukunft der Interreg-Zusammenarbeit gefragt. Darüber hinaus erzählt Delara Burkhardt uns auch, wie Interreg ihrer Meinung nach dazu beitragen kann, die Auswirkungen und Folgen der globalen COVID-19-Pandemie zu bewältigen.

Delara Burkhardt, @Bernd Marzi
Delara Burkhardt, @Bernd Marzi

Die neuen Interreg-Programme für 2021-2027 sind derzeit in Vorbereitung. Haben Sie einen besonderen Wunsch für die zukünftigen Programme?
Delara Burkhardt: Die wirtschaftliche Erholung unseres Kontinents nach der Corona-Krise kann nur gelingen, wenn die zukünftigen EU-Förderprogramme einen klaren sozial-ökologischen Schwerpunkt haben. Die neuen Interreg-Programme können und müssen hier einen wichtigen Beitrag leisten, denn so wie der Klimawandel nicht an Grenzen Halt macht, müssen unsere Bemühungen zum Schutz von Klima und Umwelt auch grenzüberschreitend konzipiert und umgesetzt werden.

Welche der dringenden Herausforderungen in Ihrer Region könnte die Interreg-Zusammenarbeit Ihrer Meinung nach am meisten unterstützen?
Was ich während der vielen Schulbesuche und in Gesprächen mit Schüler*innen immer wieder höre, ist, dass sie hier in der Region bleiben wollen. Dafür brauchen sie aber Ausbildungsmöglichkeiten und krisenfeste Berufe. Deshalb müssen wir jungen Menschen mehr Perspektiven bieten, beispielsweise grenzüberschreitende Ausbildungskooperationen oder Praktika in Nachbarländern. Das deutsch-dänische gemeinsame Trainingsprogramm ist hier ein gutes Beispiel.

Ebenso kann die Interreg-Zusammenarbeit Schleswig-Holstein und Dänemark helfen, im Bereich des sozioökologischen Wandels noch enger zusammenzuarbeiten. Hier sind gemeinsame, innovative Projekte erforderlich, beispielsweise im Bereich grüner Wasserstoff. Beide sind von der Nordsee und der Ostsee umgeben, und auf beiden Seiten der Grenze wird viel Windkraft erzeugt – die Bedingungen könnten also nicht besser sein. Auf diese Weise könnte die Grenzregion auch zu einer Modellregion für das übrige Europa werden.

Interreg ist ein sehr vielfältiges Förderprogramm, welches Möglichkeiten für große und kleine Kooperationsprojekte zu verschiedenen Themen über Grenzen hinweg bietet. Was ist Ihrer Meinung nach der Vorteil dieser Vielfalt?
Aufgrund der vielfältigen Fördermöglichkeiten kann Interreg perfekt an die unterschiedlichen Bedingungen in den Grenzregionen der Europäischen Union angepasst werden: Während einige Grenzen dicht besiedelt sind und von großen Unternehmen geprägt sind, sind andere Regionen ländlicher mit einer höheren Anzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen – wie im Fall der deutsch-dänischen Grenzregion. Für mich bedeutet das breite Spektrum an Fördermöglichkeiten, dass alle diese Regionen gleichermaßen unterstützt werden können und innovative Kooperationsstrukturen nicht davon abhängen, wo man lebt.

Delara Burkhardt
Delara Burkhardt, @Marc Fricke

Die COVID-19-Pandemie ist noch nicht vorbei, hat aber sicherlich unsere Art der Zusammenarbeit verändert. Glauben Sie, dass dies langfristige Auswirkungen auf die künftige grenzüberschreitende Zusammenarbeit haben wird? Wie kann Interreg Ihrer Meinung nach dazu beitragen, die Auswirkungen oder Folgen der globalen COVID-19-Pandemie zu bewältigen?
Ich bin überzeugt, dass die Corona-Pandemie langfristige Auswirkungen auf die Art und Weise haben wird, wie wir zusammenarbeiten. Schließlich beobachten wir derzeit zwei Dinge: Einerseits ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit für solche Extremsituationen sehr anfällig und leidet insbesondere unter Grenzschließungen. Das deutsch-dänische Beispiel zeigt uns, wie sehr die Grenzregionen zusammengewachsen sind – und was es für die Menschen bedeutet, wenn die Grenzen plötzlich geschlossen werden. Gleichzeitig zeigt uns die Pandemie, wie wichtig die Zusammenarbeit in Grenzregionen für unser tägliches Leben ist: Beim Grenzübertritt ist dies für Tausende von Pendlern nicht mehr selbstverständlich. Oder wenn der Krankenwagen nicht mehr zum nächsten Krankenhaus fahren kann, weil die Grenze geschlossen ist.

In dieser Hinsicht hoffe ich, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit krisenfest gemacht wird, um in Zukunft besser auf solche speziellen Szenarien vorbereitet zu sein. Darüber hinaus kann Interreg natürlich auch dazu beitragen, die Folgen der Pandemie abzufedern: Indem wir uns auf sozioökologische Projekte konzentrieren, können wir die wirtschaftliche Erholung auch in den Grenzregionen nachhaltig fördern – und so gleichzeitig vorbeugen für zukünftige Krisensituation.

Was für ein Europa wird Interreg Ihrer Meinung nach schaffen?
Interreg zeigt uns anhand der vielen Projekte, die seit Jahren durchgeführt werden, wie grenzüberschreitende Zusammenarbeit funktionieren kann: wie einfach es sein kann, wo noch politische oder praktische Hürden zu beseitigen sind und vor allem, wie vorteilhaft Grenzzusammenarbeit für Bürgerinnen und Bürger ist. Weil sie auf der anderen Seite der Grenze eine Arbeit gefunden haben, oder weil ihre Kinder eine Lehre im Nachbarland machen, man bekämpft gemeinsam mit der Nachbargemeinde die Verschmutzung in den Grenzgewässern und vieles mehr. Auf diese Weise kann Interreg dazu beitragen, ein Europa zu verwirklichen, in dem die Zusammenarbeit nicht zu einer Routine ausartet, sondern in dem sich die Menschen bewusst zu einem “Mehr” der Zusammenarbeit verpflichten, weil sie jeden Tag erfahren, welche Vorteile sie daraus ziehen: Insbesondere in Zeiten von wachsendem Populismus ist Interreg daher ein wichtiges Gegengewicht.